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Alles eine Frage der Energie…?

Lachse haben eine sehr feine Spürnase für den Duft eines Gewässers – sie riechen sozusagen die Mineralien, die ausgespült werden. Sie suchen im Meer, wo es so ähnlich riecht, wie dort, wo sie hergekommen sind. Und wenn sie den großen Strom finden, dann schwimmen sie diesem Duft nach – beseelt und besessen von der einen Idee. Sie paaren sich, laichen ab – und dann passiert das Unvermeidliche – nach drei Tagen sind sie alle tot – streng nach genetischem Programm.

Es gibt aber Forscher, die nicht an das genetische Programm des Sterbens glauben. Diese haben sich das Laichen angeschaut und einige Lachse nach der Eiablage seziert. Sie haben herausgefunden, dass die Lachse an all dem gestorben sind,  woran man auch bei uns so im Allgemeinen stirbt – Stress. Kardiovaskuläre und hormonelle Störungen, all das, was auch uns hier so zu schaffen macht.

Und dann haben die Forscher etwas völlig Verrücktes getan. Sie haben im nächsten Jahr die Lachse nach dem Laichen in einen Container gepackt und in den Atlantik zurückgeflogen – und bevor sie die Lachse freiließen, haben sie den Lachsen eine rote Marke in den Schwanz gepikst. Nach einem Jahr haben die Forscher wieder nachgeschaut und bei den ankommenden Lachsen welche gefunden, die eine rote Schwanzmarke trugen. Lachse, die eigentlich gar nicht hätten da sein dürfen, weil laut Programm ja jeder Lachs nach dem Laichen innerhalb von drei Tagen stirbt. Der Grund hierfür ist banal – es geht den Lachsen so ähnlich wie uns. Wir haben eine ganz feste Vorstellung, worauf es ankommt und der Lachs auch. Und dann achtet der Lachs immer nur darauf, dass er dieses Ziel erreicht. Und wenn er dann das Ziel ganz oben im Oberlauf des Flusses erreicht und sich gepaart hat, dann geht ihm zum ersten Mal seit Wochen der Blick auf. Er schaut sich um und sieht, wo er gelandet ist. 20 cm flaches Wasser, überall nur Lachse, nichts zu fressen – keine Perspektive, Stress und dann das Aus.

Was können wir von den Lachsen lernen, wenn wir unsere global noch ungelösten Probleme betrachten – Energie, Nahrung, Klima? Wir müssen vor dem Hochschwimmen nachdenken. Wenn wir im Jahr 2050 in einer friedlichen Welt leben wollen, ist die Schicksalsfrage der Menschheit, die Frage, ob wir genügend Energie zur Verfügung haben – ausreichend für 10 Milliarden Menschen. Letztendlich lassen sich alle unsere Probleme auf die Frage der Energie zurückführen. Haben wir genügend Energie, haben wir bei Bedarf auch immer genügend Wasser, weil wir, wenn nichts anders möglich ist, über Meerwasserentsalzung immer genügend Wasser produzieren können. Und wenn wir genügend Energie haben, dann können wir zur Not an den Fassaden von Hochhäusern in der dritten Dimension Nahrung produzieren. Die ultimative Frage in einer reichen Welt ist also die Energiefrage. Aber nur wenn die Energie preiswert ist und allen zur Verfügung steht, ist eine Welt in Frieden und ohne Terror möglich. Die Frage ist dann auch, welche Energie wird oder kann das sein? Lösungen wie Desertec (Sonnenenergie aus der Wüste) oder GeoPower (die Nutzung der Hitzeressourcen der Erde in 10 km Tiefe) haben gute innovative Chancen – mit kontinentalen Netzen, die mit geringem Verlust Energie über große Distanzen transportieren – in internationaler Kooperation weltweit organisiert.

Es gibt in der Welt der erneuerbaren Energien aber auch viele Leute, die diesen globalen, kooperativen Weg nicht mögen, weil sie einen sehr stark lokalen Fokus haben und weil sie am liebsten ein Energiesystem hätten, das vollkommen regional am besten vor Ort operiert. Man kann sich vieles wünschen, aber die Frage bleibt, ob dies eine adäquate Lösung für die ganze Welt ist. Insbesondere stellt sich die Frage aus der Sicht eines Landes wie Deutschland. Wir sind ja auf der einen Seite Exportweltmeister – auf der anderen Seite müsste aber ein Exportweltmeister dringend auch einmal etwas importieren, weil es nicht gut funktioniert, wenn der eine immer Überschüsse hat und der andere nichts verkaufen kann.

Energie ist die eine, eine gesunde Umwelt die andere Voraussetzung, dass wir nach unserer Ankunft am Oberlauf des Flusses nicht das Schicksal der Lachse erleiden. Wir müssen deshalb auf dem Weg dorthin noch eine weitere Herausforderung lösen.

Wir haben heute bereits die Schwierigkeit, dass die Nutzung der fossilen Energie das Klimaproblem erzeugt – und das Klimaproblem, wenn es durchschlägt, kann bis hin zu Hungersnöten rund um den Globus führen – mit allen Konsequenzen. Wir müssen also auch noch das 2°-Ziel erreichen. Dieses ist Analysen zufolge aber allenfalls dann noch zu erreichen, wenn wir dort aufforsten, wo der Regenwald abgeholzt wurde und die Böden nach Soja- und Energiepflanzenproduktion völlig ausgelaugt sind – 5 besser 10 Millionen km². „Forest and Landscape Restoration“ – die Restaurierung von biologisch aktiver Fläche, im Besonderen in Form von Wald. Wenn dieser Wald dann in etwa 50 Jahren geerntet wird, können wir ungefähr 200 Milliarden Tonnen CO2 binden. Das ist die CO2 -Produktion der Welt im Zeitraum von rund 7 Jahren. Wir gewinnen damit Zeit. Zeit, die wir nutzen müssen, um die Weichen zu stellen – die Weichen für eine Ära der weltweit vernetzten regenerativen Energieproduktion.

Schon einmal hat die Menschheit erfahren, wie es ist, wenn ein vermeintlicher Überfluss ohne Weitsicht geplündert wird. 1931 wurden mehr als 40.000 Wale getötet und dabei über 3 Millionen Barrel Waltran gewonnen – für Lampenöle, Seife und andere Dinge. In den folgenden Jahren wurden die Wale nahezu ausgerottet. Heute ist jedem von uns klar, dass eine sich immer schneller entwickelnde Industrie für viele Milliarden Menschen niemals durch einen begrenzten Rohstoff ohne sich erneuernden Kreislauf befriedigt werden kann. Dies gilt insbesondere für unser Erdöl, das anders als vielleicht bei den Walen nicht nachwachsen kann, aber auch für seltene Erden und andere Rohstoffe wie Lithium für die Elektromobilität. Die Energie der Zukunft muss im Wesentlichen ohne Rohstoffe auskommen – ausgenommen des tatsächlich unbegrenzt vorhandenen Meerwassers für die Herstellung von Wasserstoff durch die Sonne, die 10.000-mal mehr Energie auf die Erde strahlt als wir brauchen.

Es ist die vordringliche Aufgabe der Politik aller rund 200 Staaten, global und über den nächsten Wahltermin hinauszudenken und den Mut für die richtigen, kooperativen Weichenstellungen aufzubringen – aber auch jedes Einzelnen von uns, damit wir die Entscheidungen mit unserem Wahlverhalten befürworten, die wie in jeder Übergangsphase auch Kompromisse erfordern. Einer muss den Anfang machen und die Initiative ergreifen – am einfachsten können dies die reichen Länder der westlichen Welt. Die Initiatoren werden Ruhm gewinnen und unsere Kinder eine globale, friedliche und lebenswerte Zukunft.

Frei nach Vorträgen und Gesprächen mit Gerald Hüther und Franz Josef Radermacher

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