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Lore’s Law


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§   1    Was man nicht mit Freude macht, macht auch anderen keine Freude.
§   2    Einfach ist nicht einfältig, sondern besser als schwierig.
§   3    Wenn etwas nicht klappt, fängt man eben noch mal an.
§   4    Bevor man fertig ist, muss man erst mal richtig anfangen.
§   5    Wenn man das Gefühl hat, da stimmt etwas nicht, dann stimmt das meistens…
§   6    Der Bauch soll nur entscheiden, wenn er vorher was Ordentliches bekommen hat.
§   7    Wenn man etwas nicht weiß, fragt man.
§   8    Man muss immer so reden, dass einen der andere versteht und man sich selbst aber auch.
§   9    Wenn man kein Geld hat, kann man sich nichts Teures kaufen, aber wünschen.
§ 10    Wenn man etwas bekommt, sagt man Danke.

Das Gesetzbuch des gesunden Menschenverstands

Danke, liebe Lore!
Die überfällige Ehrung einer deutschen Heldin. Von Sebastian Turner

Wenn du das liest, wird es dir ein wenig peinlich sein, so wie es dir unangenehm war, auf der Bühne zu stehen. Das voll besetzte Deutsche Theater in Berlin hatte dich dort hinauf applaudiert, als die überraschten Gäste erfuhren, wer die wahre Gründerin unseres Unternehmens ist: eine liebenswürdige Dresdner Ruheständlerin, die in der ersten Reihe saß und gar nicht ahnte, was ihr dort bei der Jubiläumsfeier einer Werbeagentur widerfuhr.

Wir haben uns kennengelernt in deiner Küche in der Mathildenstraße in Dresden. Die Mauer war gerade gefallen und drei Studenten löffelten deine Suppe. Dein Sohn Olaf, Thomas Heilmann und ich. Wir wollten in der selbst befreiten DDR ein Unternehmen gründen, wir hatten weder Berufserfahrung noch Geld. Aber wir hatten dich!

Wenn herauskommt, welche Bedeutung du für den Erfolg unserer Gründung hattest, wird man die Gründerzentren dichtmachen und dafür Pflichtkurse an deinem Küchentisch verschreiben. Dabei ist dein Geheimnis gar kein Geheimnis, sondern nur der gesunde Menschenverstand und ein großes Herz. Aber was heißt da „nur“! Was für Begründungen hört man, wenn kopf- und herzlos gehandelt wird. Sie müssen nicht wiederholt werden, um durch dich und dein Leben entlarvt zu werden. Deiner Berufung – der Kunst – konntest du nicht folgen, weil dir ein Studium verboten war. Du hattest beim ersten Volksaufstand in der DDR, am 17. Juni 1953, als junges Mädchen in Dresden mitprotestiert und so half es nicht, dass deine Begabung unübersehbar war. Der kopf- und herzlose Staat widerrief die Zulassung der Kunstakademie. Später sollten deine beiden Söhne in mehrjährige politische Haft geraten. Für deinen Mann und dich bedeutete das nicht nur den langen Verlust der Kinder, sondern auch viele Qualen im Alltag. Ihr verlort beide sofort eure Arbeit, Bekannte mieden euch, der Staat nahm sich euer Häuschen. Weil deine Söhne dann in den Westen entlassen wurden, warst du sicher, sie erst als Rentnerin auf Westbesuch wieder sehen zu können. Als 1989 die Ungarn den Stacheldraht zum Westen als Erste zerschnitten und in Dresden, Leipzig und schließlich in Berlin die Menschen auf die Straße gingen, warst du dabei. Mit einer Kerze, deinem Mann und viel Mut. Niemand konnte wissen, ob die Staatsmacht friedlich bleiben würde oder wie 1953 Panzer rollen würden. (Tatsächlich wurden in Dresden viele Demonstranten von der Staatsmacht misshandelt und inhaftiert.) Bevor sich Legenden breitmachen, soll hier festgehalten werden, wer die deutsche Einheit wirklich gemacht hat: Revolutionäre wie du!

Man stellt sich eine erfolgreiche Umstürzlerin nicht unbedingt als freundliche Dame vor, zwei Köpfe kleiner als ihr Sohn, mit leiser Stimme und einnehmendem Lachen. Aber dass man dir das Revolutionäre so gar nicht ansieht, war wohl einer der Gründe für das Gelingen der ersten erfolgreichen deutschen Revolution.

Als wir in deine Wohnung einzogen, lag diese Heldentat gerade hinter dir. Im lange verwaisten Kinderzimmer rollten wir unsere Schlafsäcke aus, in der Küche wurden morgens Pläne geschmiedet und abends sahen wir uns wieder an deinem gedeckten Tisch.

Du wurdest sogar erste Inhaberin. In der siechen DDR unter dem letzten ungewählten Ministerpräsidenten Hans Modrow musste jedes neue Unternehmen mehrheitlich einem DDR-Bürger gehören. Eine versteckte Lebensversicherung für viele Apparatschiks, die sich auf diesem Wege westlichen Firmen aufzunötigen wussten. Dein Sohn Olaf war zwar in Dresden geboren, aber er wurde nach der Haft von seiner Geburtsstadt nicht als Bürger anerkannt. Natürlich warst du bereit, vorübergehend als Inhaberin einzuspringen. (Das Unternehmen hat sich dann so erfolgreich entwickelt, dass du heute mit Mann, Sohn, Schwiegertochter, Enkelin und Hund in den eigenen vier Wänden wohnst.)

Aus der Dreimannundeinefrau-Gesellschaft von 1990 ist inzwischen ein ganz normales Unternehmen geworden, aus dem Kinderzimmer in Dresden wurde ein geräumiger Fabrikbau in Berlin.

Es ist aber immer noch deine Firma.

Damit das so bleibt, haben wir deine Grundsätze aufgeschrieben und als Lore‘s Law herausgegeben. Es kommt von Herzen und ist das Gesetzbuch des gesunden Menschenverstandes, mit dem erwiesenermaßen alles gelingen kann: ein Unternehmen, eine Revolution und natürlich eine gute Suppe.

Danke!

Quelle: Scholz & Friends (Herausgeber)
Redline Wirtschaft, 2005

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