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Marshmallow-Challenge und Teamarbeit

Vor einigen Jahren, stellte Peter Skillman einen Designwettbewerb vor – „die Marshmallow-Challenge“. Die Idee ist ziemlich einfach. Viererteams müssen die größtmögliche, freistehende Struktur mit 20 Spaghetti, ca. 1 m Klebeband und ca. 1 m Faden sowie einem Marshmallow innerhalb einer bestimmten Zeit bauen. Der Marshmallow muss ganz oben an der Spitze sein. Obwohl es wirklich einfach erscheint, ist es tatsächlich richtig schwer, weil die Teilnehmer sehr schnell zusammenarbeiten müssen. Tom Wujec hat hieraus einen Design-Workshop gemacht, der ein Riesenerfolg wurde. Workshops, weltweit durchgeführt mit Studenten, Entwicklern, Architekten, Ingenieuren und sogar mit technischen und kaufmännischen Führungskräften der bedeutendsten Unternehmen weltweit.

Normalerweise starten die meisten Leute damit, sich selbst bezüglich der Aufgabe zu orientieren. Sie reden darüber, sie überlegen, wie es aussehen wird, sie rangeln um Macht und erst dann investieren Sie ein wenig Zeit in Planung und Organisation. Sie skizzieren und legen Spaghetti aus. Sie investieren einen Großteil ihrer Zeit in den Zusammenbau ständig wachsender Strukturen – und schließlich, kurz bevor sie keine Zeit mehr haben, nimmt jemand den Marshmallow und setzt ihn behutsam auf die Spitze. Alle treten einen Schritt zurück und „ta-da“ bewundern sie Ihre Arbeit. Was aber dann fast immer passiert, ist, dass das „ta-da“ zu einem „uh-oh“ wird, weil das Gewicht des (meist schiefen) Marshmallows bewirkt, dass der Turm einstürzt. Es gibt nun Leute, die viel mehr „uh-oh-Momente“ haben als andere. Unter den schlechtesten Gruppen sind frische BWL-Absolventen. Sie lügen, sie schummeln, sie sind verwirrt und produzieren wirklich dürftige Gebilde. Aber natürlich gibt es auch Teams, die viel mehr „ta-da-Gebilde“ haben als andere – und unter den besten sind frische Absolventen des Kindergartens. Wie Peter Skillman aufzeigte, produzieren sie nicht nur die höchsten Türme, sondern auch die interessantesten Strukturen von allen. Bleibt die Frage: Warum? Peter Skillman stellte fest, dass keines der Kinder darin Zeit investiert, Chef der neuen „Spaghetti GmbH“ zu sein. Sie investieren keine Zeit in Machtkämpfe. Es gibt aber noch einen weiteren Grund. Und zwar, dass BWL-Studenten trainiert wurden, den einen richtigen Plan zu finden – und ihn dann zu realisieren. Und wenn sie dann den Marshmallow auf die Spitze packen, folgen Einsturz und die Krise, und es ist keine Zeit mehr für eine Alternative vorhanden.

Kindergarten-Kinder beginnen anders. Sie bauen mit dem Marshmallow Prototypen – erfolgreiche und andere – immer mit dem Marshmallow an der Spitze, so dass sie mehrfach die Möglichkeit haben, baufällige Prototypen zu reparieren. Ein iterativer Prozess. Mit jedem Versuch bekommen die Kinder unmittelbar ein Feedback, was funktioniert und was nicht.

Was leisten nun unterschiedlich zusammengesetzte Teams?

Der Durchschnitt für die meisten Teams liegt bei ca. 50 cm, BWL-Studenten schaffen die Hälfte davon. Anwälte etwas mehr, aber nicht viel. Kindergartenkinder sind besser als die Erwachsenen. Und wer ist am erfolgreichsten? Den ersten Platz belegen Architekten und Ingenieure – zum Glück. Die höchsten Türme nach 18 Minuten liegen in dieser Gruppe bei ca. 1 m. Viererteams aus Führungskräften liegen etwas über dem Durchschnitt. Spannend hierbei ist, dass wenn man einen Geschäftsführer in ein solches Team dazusetzt, werden sie signifikant besser. Warum ist das so? Weil diese Personen spezielle Fähigkeiten der Prozessbegleitung haben. Sie leiten den Prozess, Sie verstehen ihn. Und dasjenige  Team, das regelt und auf die Arbeit achtet, verbessert die Leistung erheblich.

Und noch ein Effekt zeigt sich aus den Workshops von Tom Wujec, wenn man den Wettbewerb mit denselben Personen wiederholt. Sobald die Teams den Vorteil des „Prototyping“ einmal verstanden haben, werden sie deutlich besser und die zuerst schlechtesten Teams sind am Ende oft unter den besten.

Warum befassen sich die unterschiedlichsten Menschen mit der Marshmallow-Challenge?

Der Grund liegt darin, dass Teamarbeit alle betrifft und Design ein „Kontakt-Sport“ ist. Er verlangt, dass wir uns mit allem auf die Aufgabe konzentrieren – dass wir unser Denken, unsere Sinne und unser Tun genau auf die Herausforderung ausrichten, die vor uns liegt – und jedes Produkt, jede Teamaufgabe hat einen Marshmallow, den es herauszufinden und ganz oben zu befestigen gilt.

Quellen: 

Peter Skillman, Tom Wujec – Ted 2010 Talk 

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