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Warum es intelligent ist, nett zu sein!

Zwei Gangster werden wegen einer gemeinsam verübten Straftat in getrennten Zellen festgehalten und vom Gefängnisdirektor mit dem Vorschlag konfrontiert, den jeweils anderen gegen Strafminderung zu verraten. Wenn beide dicht halten, können sie nur wegen eines geringeren Vergehens bestraft werden und bekommen je drei Jahre Haft. Wenn einer den anderen verrät, bekommt der Geständige ein Jahr und der andere zehn Jahre.

Wenn sich beide gegenseitig verraten, bekommen sie sechs Jahre. Nach einigem Überlegen wird sich jeder entscheiden, den anderen zu verraten, denn das bringt in jedem Fall das beste Ergebnis: Hält der andere dicht, bekommt er selbst nur ein Jahr. Gesteht der andere auch, so bleibt ihm immerhin die Höchststrafe erspart. Aus der Perspektive des Einzelnen ist es also rational, das Gefangenendilemma aggressiv zu spielen. Wie auch immer sich der andere verhält: Verrat bringt das beste Ergebnis. Doch das theoretisch Zwingende ist nicht unbedingt auch klug. Die individuelle Rationalität führt beide Spieler zu einem schlechten Ergebnis. Zugespitzt lautet das Dilemma: Jeder ist besser dran, wenn er egoistisch ist, aber beide sind besser daran, wenn sie kooperativ sind.

Was würde sich verändern, wenn man das Gefangenendilemma spielt und die Spieler häufiger aufeinander treffen? Werden sie sich auf Grund ihrer schlechten Erfahrungen mit der individuellen Rationalität anders entscheiden und sich kooperativ verhalten? Genau dieser Punkt wurde in berühmten Computerturnieren untersucht. Was geschieht, wenn man das Dilemma iteriert und verschiedene Strategien gegeneinander antreten lässt? Das wichtigste Ergebnis dieser Turniere lautet: Der Erfolg eines Programms hängt von seiner Umwelt ab. Es gibt also keine umweltunabhängigen Spielregeln für Sieger. Was jeweils die beste Strategie ist, hängt vom Verhalten des Gegenspielers ab. Mit anderen Worten: Wenn man die Zukunft in Betracht ziehen muss, gibt es keine „beste“ Strategie. Es kann deshalb nicht darum gehen, ein Programm – oder das jeweilige Verhalten – zu optimieren, sondern nur darum, es robust zu gestalten.

Was Robustheit heißt, lässt sich sehr genau durch fünf Eigenschaften definieren, die dann auch den Kernbestand der gesuchten Kooperationsmoral ausmachen. Das Programm der „robusten Nettigkeit“ lautet:

  1. Nett – also kooperationsbereit. Die einfachste Definition von „nett“ lautet: Nie mit einer Aggression beginnen.
  2. Provozierbar – es lässt sich also nicht ausbeuten.
  3. Versöhnlich – das heißt im Kern: vergesslich. Es genügt die Erinnerung an den letzten Spielzug. Das robuste Programm ist auch nach einer Aggression noch kooperationsbereit.
  4. Nicht eifersüchtig – das Geheimnis des Erfolgs liegt darin, den anderen nicht um seinen Erfolg zu beneiden.
  5. Transparent – während in Nullsummenspielen die Strategie verheimlicht werden muss, muss sie in Nicht-Nullsummenspielen veröffentlicht werden.

Kooperativ oder aggressiv sein? – das ist hier die Frage. Der gute Mensch spielt die Jesus-Strategie der bedingungslosen Kooperation: schlägt man dir auf die eine Wange, dann halte auch noch die andere hin. Das ist zwar nett, aber diesem Programm fehlt die Provozierbarkeit. Der Zyniker spielt bedingungslos aggressiv. Das ist weder nett noch versöhnlich und entspricht der Minimax-Strategie, die ein Gleichgewicht des Misstrauens schafft. Das Bestmögliche besteht hier lediglich in der Vermeidung des Schlechtesten.

Dem zu Kooperativen droht also Ausbeutung, dem zu Aggressiven droht Eskalation. In der goldenen Mitte liegt das robuste Programm, das kooperativ beginnt, aber dann den jeweiligen Zug des anderen wiederholt. Alttestamentarisch formuliert: Auge um Auge. Wer Erfolg hat, indem er die Dummheit der anderen ausnutzt, zerstört damit die Umwelt in der er Erfolg haben kann. Mit anderen Worten: Wer nicht nett ist, hat kurzfristig Erfolg, zerstört aber langfristig die Bedingungen seines Erfolgs. Räuberische Strategien vernichten also ihre eigenen Erfolgsbedingungen. Und genau umgekehrt ist das Programm der robusten Nettigkeit eines, das gewinnt, ohne andere zu besiegen. Es begreift den Erfolg des anderen als Bedingung des eigenen. Erfolg habe ich demnach nicht durch Schwächung des anderen, sondern durch Stärkung der gegenseitigen Interessen.

Die Computerturniere lassen aber keine Zweifel, dass der nette Einzelne in einer Welt von Fieslingen keine Chance hat. Die Netten müssen schon als Gruppe auftreten, und es ist eine strikt mathematische Frage, wie groß die Sekte der Netten sein muss, um der Invasion der Freundlichkeit zum Durchbruch zu verhelfen.

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